Nachtrag zu den brasilianischen Ausstellungen in der Schirn zur Buchmesse 2013, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Doch, wir können verstehen und nachvollziehen, wenn Besucher oder Kritiker – aber die trauen sich das nicht – zur Ausstellung „BRASILIANA. Installationen von 1960 bis heute“ in der Schirn bis 5. Januar sagen: albern, kitschig, Kinderkunst,Igitt, Plastikzeugs oder sonst was. Nur uns, uns ging es eben anders: wir hatten einen Heidenspaß.

Es geht um eine Gruppenausstellung anläßlich des Gastlandauftritts in der Schirn Frankfurt, in der acht Installationen gezeigt werden, ein naturgemäß weiter Begriff, um das abzudecken, was nicht flach an der Wand hängt oder als Skulptur im Raum steht. Zudem sind diese acht Installationen nicht ordentlich Raum für Raum aufgebaut, wie sonst die Museumslandschaft geordnet ist, sondern wie auf einem Parcours bewegt man sich von der einen zur anderen, die ihm übrigen zu völlig unterschiedlichen Erfahrungen führen, die man vielleicht zusammenfassen kann in der Farbe Orange, die insgesamt ein überwältigendes Farbenspiel bietet, wie gesagt, an unterschiedlichen Objekten.Maria

 

Wie Maria Nepomucene ihre Arbeit MAGMATIC für die Schirn aufbaute, konnte man verfolgen. Denn zum Wesen der Installation gehört auch, daß sie, nicht wie das auf dem Bildträger fixierte Bild, meist ihre Gestalt an den Raum anpassen kann, was sein muß, wenn solch spezifische Bedingungen wie in der Schirn gegeben sind.Ihre Arbeit kann auch gut als Beispiel dienen, was man darunter zu verstehen hat, wenn der Alltag und Alltagsmaterialien, aber auch das brasilianische Lebensgefühl im Objekt lebendig werden. Nötig war dazu, mit den traditionellen Strohflechterinnen, die getrocknete Carnaubapalmblätter verwenden, Kontakt aufzunehmen und diese Technik zu erlernen.

 

Das Wichtigste dabei ist allerdings nicht die Technik, sondern das Verknüpfen selbst. Sie würde sich als diejenige bezeichnen, die durch von ihr hergestellte Dinge die Welt in einen Verknüpfungszustand verwandelt, wobei sie die organischen Anteile ihrer Dinge ihrer natürlichen Umgebung, den vor Saft und Farbe strotzenden Pflanzen und Bäumen abschaut. Die starren Dinge sozusagen organisch auflädt und ihnen damit auch gefühlt den Geruch, das Gefühl beim Anfassen und das Empfinden, in dieser Welt zu atmen.

 

Sie bevorzugt zwei Materialgruppen. Das sind zum einen die für's Verknüpfen gut geeigneten, wie Kordeln, Garne,Kabeln, getrocknete Palmblätter und zum anderen solche Gegenstände, die man mit mithilfe der ersteren Materialien integrieren kann wie Perlen,Kugeln, Gefäße, Schläuche, insgesamt solche Hohlelemente,durch die man etwas durchziehen kann. Das, was dabei herauskommt, sind Dinge mit Formen, die man nur beschreiben kann, aber nicht benennen. Das Schwierige ist, daß sich solche Objekte der Beschreibung entziehen, was vor allem für den Eindruck gilt, den das Gesamtobjekt auslöst.

 

Stellen Sie sich wie in Riesenmaschen gehäkelte, hier eben geflochten, Hängematten vor, die aber in der Mitte einen nach unten offenen Trichter haben und zudem an ihren Unterseiten noch eine Art Bommeln in Trichterform. Ironisch könnte man das jetzt als Sitztoilette im Freien kennzeichnen, wie auch anderes nach aufgebauschten Fliegenpilzen aussieht und die Phantasie sich ob der Formen und Materialien allein in Gang setzt. Diese Trichterformen übrigens tragen stark archaischen Charakter, keine Ahnung, ob dies der Künstlerin bewußt ist. Schon vor der Eisenzeit hat man derart die Hüte der Skythenfürsten hergestellt, wobei man sie ebenfalls mehr als einen halben Meter in der Höhe spitz auslaufen ließ.

 

Ihre trichterförmigen Gebilde wirken wie Tentakel. Das sieht wie eine üppige Urwaldlandschaft aus oder auch eine des Traums, in der bekannte Formen eine andere Gestalt und eine andere Materialität annehmen, immer aber etwas Verschlingendes und durchaus Gefährliches vermitteln, bei allen bunten Farben, oder vielleicht gerade deswegen. Wir empfinden diese Dingwelt als organisch, sie erinnert an Natur, aber sie wirkt, als ob sie uns gleich mithineinzieht in ihrer Kugeln und Pilzflechten mit durchaus ungewissem Ausgang. Fortsetzung folgt.

 

 

Bis 5. Januar 2014

 

 

Kataloge:

 

 STREET-ART BRAZIL, Hrsg. Schirn Kunsthalle Frankfurt, Verlag der Buchhandlung Walther König, 2013

TNR 1499155/978-3-86335-418-3 zum Preis von 29,80 Euro

 

BRASILIANA. Installationen von 1960 bis heute, hrsg. von Martina Weinhart und Max Hollein, Verlag der Buchhandlung Walter König, 2013

TNR 1499036978-3-86335-419-0 zum Preis von 28 Euro