Die Kunst des französischen Rokoko ab 4. November im Liebieghaus Frankfurt, Teil 1

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mal 'was anderes! In einer umfangreichen Sonderausstellung zeigt die Liebieghaus Skulpturensammlung vom 4. November 2015 bis 28. März 2016 zentrale Kunstwerke des französischen Rokoko. Die Ausstellung „Gefährliche Liebschaften“ läßt das neu aufkommende Konzept von empfindsamer Liebe und deren vorherrschende Darstellung in der französischen Kunst um 1750 und vergegenwärtigt die Verführungskraft des Rokoko aufscheinen.

 

Zu sehen sind 80 Meisterwerke: Skulpturen, Biskuitporzellanstatuetten, Gemälde und Grafiken sowie Kunsthandwerk von namhaften Leihgebern, wie dem Rijksmuseum in Amsterdam, dem Musée du Louvre in Paris, dem British Museum und dem Victoria and Albert Museum in London, dem Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid oder dem Wallraf-Richartz Museum & Fondation Corboud in Köln und den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek in München. Nicht nur Kunsttheoretiker und Schriftsteller, auch bildende Künstler machten sich während der Regierungszeit des französischen Königs Ludwig XV. über die Bedeutung von Gefühlen und Leidenschaften Gedanken.

 

Waren im 17. Jahrhundert noch standardisierte Gefühlsdarstellungen grundlegend, so verloren, je mehr die Liebe als Emotion des Individuums verstanden und zum Sinn des Lebens erhoben wurde, vorgegebene Leidenschaftsformeln in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts an Gewicht. Neue Liebesmodelle und – damit einhergehend – die Natur als höfisches Arkadien, als Sehnsuchtsort, prägten die Gestaltungsformen in der bildenden Kunst. In Arbeiten der Bildhauer Étienne-Maurice Falconet (1716–1791) und Jean-Baptiste Pigalle (1714–1785) sowie der Maler Jean-Antoine Watteau (1684–1721), Nicolas Lancret (1690–1743) und François Boucher (1703–1770) oder Porzellanskulpturen von Johann Joachim Kaendler (1706–1775) steht die Frage nach der künstlerischen Vorstellung von Natürlichkeit im Vordergrund. Ein Raum innerhalb der Ausstellung demonstriert darüber hinaus durch Spiegel, Möbel, Gemälde, Grafik und Porzellan die Anmutung eines Salons des 18. Jahrhunderts.

 

 

Die Kunst der Verzauberung

 

Die Kunst des französischen Rokoko polarisiert und verzaubert. Damals wie heute sorgt sie für unterschiedlichste Reaktionen zwischen Faszination und Ablehnung, Bewunderung und Unverständnis. Dank namhafter Leihgaben aus den wichtigsten Sammlungen der Welt können wir mit unserer groß angelegten Ausstellung die stilprägende Kraft dieser einzigartigen Epoche – mit ihren neuen Liebesvorstellungen und der Idealisierung des ländlichen Lebens durch den Adel – im Liebieghaus nachvollziehbar machen“, so Max Hollein, Direktor der Liebieghaus Skulpturensammlung.

 

Im 18. Jahrhundert entdeckten Künstler wie Jean-Antoine Watteau, François Boucher, Étienne-Maurice Falconet, Jean-Baptiste Pigalle oder Jean-Honoré Fragonard die ruhigen, lieblichen Liebesstimmungen als Motivfundus. Ihre Motive voller Natürlichkeit und beruhigter Liebe wurden schon wenige Jahre später von Kritikern wie Choderlos de Laclos als verwerflich, bar jeder Wahrheit und gar als gefährlich bezeichnet. Dass sie dennoch zu den schönsten Kunstwerken des Rokoko gehören, möchten wir mit unserer Ausstellung deutlich machen“, so Maraike Bückling, Kuratorin der Ausstellung und Leiterin der Abteilungen Renaissance bis Klassizismus in der Liebieghaus Skulpturensammlung.

 

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts galt die Liebe als allgemeinstes aller Gefühle, das von allen Menschen empfunden werden konnte. Im Rückgriff auf Theaterstücke, Fabeln, Opern und Erzählungen setzten bildende Künstler wie Jean-Antoine Watteau oder François Boucher die neuen Liebeskonzepte bildlich um. Die Liebesszenen zeigen nicht mehr zerstörerische Götter- und Heldenleidenschaften, sondern offenbaren

zärtliche Zuneigung zwischen Individuen. So änderte sich das göttliche Personal zunehmend in Figuren der Pastorale, des Schäferstückes. Genreszenen mit Schäfern, Hirten und Gärtnern als Liebespaare wurden nahezu beispielhaft für die Darstellungen einer beruhigten, innigen Liebe in einem höfischen Arkadien dieser Zeit.

 

Die Begeisterung des Adels für diese Szenen und deren beschauliche Ungezwungenheit und Natürlichkeit zeigte sich auch in ihrer Selbstinszenierung. Schäfer und Schäferin in den Mittelpunkt stellende Verkleidungsspiele wurden beliebt. Diese Faszination führte zu vorgetäuschten und idealisierten Bauerngehöften, zum Beispiel in den Parkanlagen von Versailles, die zumeist luxuriös mit edlen Wandverkleidungen und eigens in Sèvres hergestellten Servicen ausgestattet waren.

Fortsetzung folgt

Foto

Nicolas Lancret (1690–1743)

Der Vogelkäfig (Les Amours du Bocage), um 1735

Öl auf Leinwand, 44 × 48 cm

München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek © bpk | Bayerische Staatsgemäldesammlungen | Sammlung

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Info:

 

Die Ausstellung

Gefährliche Liebschaften. Die Kunst des französischen Rokoko“ 4. November 2015 bis 28. März 2016erfährt Unterstützung durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH und die Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung.