Die Kunst des französischen Rokoko ab 4. November im Liebieghaus Frankfurt, Teil 2

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nicht schlecht, die kommende Ausstellung schon einmal vorzubereiten, weil das Rokoko heute nicht jederzeit zum Thema wird, also auch nicht jedermann bekannt ist. Das war im 18. Jahrhundert anders. Das fing schon mit der Hirtenthematik, dem Pastoralen, an.

 

Im Hinblick auf diese allgemeine gesellschaftliche Begeisterung für das Hirtenthema überrascht es nicht, dass diese Thematik in allen Kunstgattungen Einzug hielt. Auch die Bildhauer Étienne-Maurice Falconet und Jean-Jacques Bachelier (1724–1806) erarbeiteten pastorale Szenen wie beispielsweise bei den Biskuitgruppen Annette und Lubin (1764, Düsseldorf, Hetjens- Museum – Deutsches Keramikmuseum) oder Die Fee Urgèle (1767, Sèvres, Cité de la Céramique – Sèvres et Limoges, Musée national de Céramique). Hierbei beziehen sie sich, wie auch ihre Malerkollegen, auf literarische Vorbilder. Für die Porzellanmanufakturen in Meißen und Höchst gestalteten Johann Joachim Kaendler, Laurentius Russinger (1739–1810) und Johann Peter Melchior (1747–1825) ländliche Themenwelten. Die pastoralen Paare befinden sich ausnahmslos in der Natur. Die Natur wird jedoch nicht unberührt dargestellt: Die Liebenden – die in ihren bäuerlichen Trachten stets elegant wirken und eher adeligen Erscheinungen gleichen – wandeln durch Gärten oder verwunschene, verwilderte Parklandschaften.

 

Während die 1648 gegründete Académie royale de peinture et de sculpture schablonenhafte Vorgaben für Gefühlsdarstellungen kannte, lösten sich die Künstler im Zuge der Hinwendung zu individuellen Gefühlswelten vom Regelwerk des 17. Jahrhunderts. Dass das Gefallen des Betrachters zunehmend als kritische Instanz verstanden wurde, führte letztlich zur Distanzierung von den vorherrschenden Richtlinien. Der Betrachter sollte gerührt werden. Erzielt werden sollte dies dadurch, dass die Werke seine Welt, seine Umgebung und seine Gefühle aufgriffen. In der Malerei und Porzellanskulptur des Rokoko wurden somit nicht Tugendideale oder bewunderungswürdige Heldentaten abgebildet. Die Figuren zeichneten sich vielmehr durch Sanftheit und Zärtlichkeit aus und nahmen unabhängig davon, ob pastorale Themen oder antike Mythologien wiedergegeben wurden, eine alltäglich-zierliche Gestalt an.

 

 

Rundgang durch die Ausstellung

 

Gleich zu Beginn der Sonderausstellung „Gefährliche Liebschaften. Die Kunst des französischen Rokoko“ erhält der Besucher eine Vorstellung eines Rokokosalons. Im ersten Raum wird für die Zeit um 1750 beispielhaftes Mobiliar gezeigt. Wandverkleidung, Gemälde, Armlehnsessel, Kommoden, Spiegel, Kerzenhalter, Porzellan, Tapisserien – alle Details waren aufeinander abgestimmt, um ein homogenes Gesamtbild zu erzeugen. Die beliebten Genreszenen, die ihre Vorbilder in der Literatur und der Malerei finden, wurden von den unterschiedlichen Gewerken aufgegriffen. Anschaulich verdeutlichen diesen Zusammenhang die Bezüge der zwei Armlehnstühle aus der Münchner Residenz, die nach Kinderdarstellungen von François Boucher angefertigt wurden. Mitte des 18. Jahrhunderts erfreuten sich diese „Enfants Boucher“ großer Beliebtheit, auch als Motive für Porzellangruppen.

 

Im Übergang vom ersten Raum zur Villa Liebieg werden Kostüme gezeigt. Es sind Kleider, die für die Opernaufführung Un ballo in maschera von Guiseppe Verdi (1813–1901) für die Oper Frankfurt angefertigt wurden. Sie entsprechen den historischen Rokokogewändern und transportieren eine konkrete Idee der damaligen Lebenswelt. Für die Mode des französischen Rokoko war der höfische Geschmack bestimmend. Insbesondere gefiel der Kleidertyp „Robe à la française“, der mit seinen vom Nackenausschnitt bis zum Boden reichenden Stofffalten den Rücken der Frauen akzentuierte. Diesem Detail schenkten Maler wie Jean-Antoine Watteau und seine Nachfolger besondere Aufmerksamkeit, sodass es später als „Watteau-Falte“ bekannt wurde. Fortsetzung folgt

Foto:

Étienne-Maurice Falconet (Paris 1716–1791)

Der drohende Amor (L’Amour menaçant), Paris 1757

Marmor (Carrara), H. 87 cm (ohne Sockel); H. 185 cm (mit

Sockel) Amsterdam,Rijksmuseum © Amsterdam, Rijksmuseum

signiert und datiert (auf dem Riemen des Köchers): E. FALCONET 1757

auf dem Sockel: QUI QUE TU SOIS, VOICY TON MAITRE/IL L’EST, LE FUT, OU LE DOIT ÊTRE

 

Info:

 

Die Ausstellung

Gefährliche Liebschaften. Die Kunst des französischen Rokoko“ 4. November 2015 bis 28. März 2016

erfährt Unterstützung durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain gGmbH und die Georg und Franziska Speyer’sche Hochschulstiftung.