Serie: BADEN! 900 JAHRE: GESCHICHTEN EINES LANDES im Badischen Landesmuseum im Schloß Karlsruhe, Teil 1/2

 

Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar

 

Karlsruhe (Weltexpresso) – Da lernen hier aufgewachsene Bundesbürger ganz schön dazu. Was man als Kind als Selbstverständlichkeit erfuhr, daß es in Deutschland Länder wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen oder eben Baden-Württemberg gibt und sich nicht viel dabei dachte, entpuppt sich allerorten als eine, erst nach dem 2. Weltkrieg wohl ungewöhnlich geglückte politische Zusammenballung von historisch gewachsenen disparaten Gebilden in Länderform. Und nun muß man in der Ausstellung über Baden auch noch erfahren, daß es die Badenser, Entschuldigung die Badener waren, die der Württemberger Kronjuwel, die Landeshauptstadt Stuttgart, gegründet hatten.

 

Das ist nämlich eine der ersten Erkenntnisse. Mit der Landkarte allein kommt man nicht weiter. Denn da windet sich Baden nach der ersten Erwähnung einer Markgrafschaft Baden im Mittelalter - genau im Jahr 1112, der erste Markgraf war ein Zähringer, darum das 900 Jahr-Jubiläum – auf der Rechten den Rhein entlang bis Lörrach im Süden, hat aber auch Besitzungen oben an der Mosel und vor allem am Neckar. Die Markgrafschaft war also kein zusammenhängendes Territorium! Das sieht man noch deutlicher im Jahr 1535 bei der Teilung der Markgrafschaft in das katholische Baden-Baden und das evangelische Baden-Durlach. Da ist die Gründung von Stuttgart auch schon längst in Württemberger Hände gefallen.

 

Dafür nimmt mit der Gründung des Großherzogtums Baden das Land rechtsrheinisch Gestalt an. Vom Main – Wertheim – über Tauber-Bischofsheim nach Mannheim, von dort den Rhein entlang bis Lörrach im Süden, nun aber auch die Donau umschließend und bis zum Bodensee, erstreckt sich zusammenhängend das neue Baden, das grobgesagt dann auch ins heutige Bundesland als Teilgebiet Baden einging. Die linksrheinischen Gebiete an Mosel und Nahe waren 1796 an Frankreich gegangen, sind heute Teil von Rheinland-Pfalz.

 

Das sollte mit dem geografischen Überblick auch die Schwierigkeit andeuten, wie mit solchen über die Jahrhunderte gewachsenen, verlorenen, dazugewonnenen Teil-Badener-Stücken in einer Ausstellung umzugehen ist. Deshalb heißt der Untertitel der Ausstellung elegant „Geschichten eines Landes“, was sich in der Ausstellung niederschlägt in einem erst einmal chronologischen geschichtlichen Rundgang, der dann dazu mit den vielen regionalen Besonderheiten bestückt ist: den Städten wie Pforzheim, Mannheim, Heidelberg, Baden-Baden, der Residenz Karlsruhe – der des Rechts, was die Ansammlung von Obersten Gerichten, das Bundesverfassungsgericht nahm 1952 seinen Sitz in Karlsruhe, auch inhaltlich begründet –, dem Rhein und seinen Landschaften oder dem Bodensee.

 

Das stärkste Gewicht gilt den geschichtlichen Darstellungen, wo alle Zeiten vorkommen, die frühen vor allem dokumentiert durch Quellen wie Urkunden und Landkarten, die späteren mit Objekten und die ab dem 19. Jahrhundert, das zusammen mit dem 20. Jahrhundert den Schwerpunkt bildet, darüber hinaus mit Einblick in das tägliche Leben der Bevölkerung. Für das 19. Jahrhundert ist das vor allem die Wirtschaftsentwicklung und Kriege sowie Freiheitserhebungen, die zum Deutschen Reich führen. Für das 20. Jahrhundert wird die Zeit des Nationalsozialismus dreifach dokumentiert. Zum einen spielt der Westwall eine Rolle und der 2. Weltkrieg mit seinen Zerstörungen.

 

Es wird aber auch die Durchdringung des Lebens mit nationalsozialistischer Propaganda in Bild und Text geschildert und die Deportation der badischen Juden nach Gurs (Südfrankreich). Alles so schrecklich und unbegreiflich, wie es einem jedes Mal geht, wenn man zu verstehen lernen soll, daß diese Vorgänge von der Bevölkerung offiziell nicht gesehen, nicht interpretiert und schon gar nicht aufgehalten wurden. Auch die badischen Außenlager des KZs Natzweiler/ Elsaß sind dargestellt. Da sieht man das Aluminium-Essgeschirr und Besteck aus dem Lager 'Vulkan' bei Haslach oder liest die Übersichtsliste im Außenlager Mannheim-Sandhofen von 1944, wo die Häftlinge für Daimler-Benz arbeiten mußten, die dem KZ dann die geringen Entlohnungen zahlten. Fortsetzung folgt.

 

bis 11. November 2012

 

Katalog:

BADEN! 900 Jahre, Gesamtleitung Harald Siebenmorgen, Info Verlag, Badisches Landesmuseum Karlsruhe und Autoren, 2012.

Als erstes müssen wir gleich eine Fehlstelle vermelden, oder sogar zwei. Denn als wir den Katalog aufschlugen, um uns nach der Ausstellung mit seiner Hilfe schlauer zu machen – wie immer interessieren einen die tieferen Zusammenhänge nach der Ausstellung mehr als zuvor, weil sich viele Fragen angesammelt haben - , da fanden wir keine geografische Karte die uns über die heutige interne Gebietstrennung von Baden-Württemberg Aufschluß gäbe, also, wo wir die badischen Grenzen genau ziehen müssen, um die Badenser, denn um die geht es, von den Württembergern zu scheiden. Dabei sind sowohl die beiden vorderen Umschlagseiten des Katalogs wie auch die beiden hinteren reinweiß geblieben und wären für unser Interesse mit einer Karte der Gebiete von Baden und Württemberg wunderbar geeignet gewesen. Wir können uns nicht vorstellen, daß es nur uns so ging, denn die Ausstellung im Karlsruher Schloß ist spannend und gut geeignet, im Katalog weiter zu forschen.

 

Ja, dann kommen sie, die historischen Karten. Sowohl die Städte der Markgrafen von Baden auf Seite 45 wie auch die Markgrafschaften ab dem Jahr 1535 auf Seite 64 sowie auf Seite 106 die Gründung des Großherzogtums Baden sind geografisch detailliert dargestellt. Da sind wir zufrieden, wie überhaupt der ganze Katalog ansonsten zu loben ist, denn er ist lesefreundlich mit Bildern der Objekte der Ausstellung im Kontext bestückt, wo sowohl die Einordnung des Objektes in die jeweilige Geschichte wie auch seine Einzelbeschreibung gründlich und auch für Laien – sprich: die Bevölkerung – verständlich formuliert ist. Ehrlich gesagt finden wir, daß dieser Katalog in jede badensische oder auch badische Familie gehört oder sogar – bei genauerer Überlegung – in jedes Haus in Baden-Württemberg!

 

Das aufwendige Begleitprogramm entnehmen Sie bitte der Webseite.

www.baden900.de

www.landesmuseum.de