Serie: Neuer Streit um das Fritz-Bauer-Institut (FBI), Teil 10 : Helmut Kramer erwidert im TAGESSPIEGEL am 22. Dezember 2014 zur Debatte um Fritz Bauer

 

Klaus Hagert

 

Berlin (Weltexpresso) - Eingeleitet wird der Beitrag mit dem Motto „Debatte um Fritz Bauer. Ein großes Vorbild, ein Mensch“ und dem Hinweis auf die derzeit im Thüringischen Landtag laufende Ausstellung; Fritz Bauer. Der Staatsanwalt. NS.Verbrechen vor Gericht“. Helmut Kramer wird am Schluß des Beitrags vorgestellt.

 

Der Rechtshistoriker Helmut Kramer, Jahrgang 1930, war Richter am Oberlandesgericht Braunschweig. 1998 gründete er das Forum Justizgeschichte. Für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der deutschen Justiz erhielt er das Bundesverdienstkreuz.“



Er selbst wählt die Überschrift: Zum Streit um Fritz Bauer, den Generalstaatsanwalt der Auschwitz-Prozesse: eine Erwiderung auf Kurt Nelbiebels Tagesspiegel-Beitrag vom 8. Dezember. Den hatte am 19. Dezember unsere Kollegin Constanze Weinberg in Teil 2 der Serie NEUER STREIT UM DAS FRITZ BAUER INSTITUT referiert und kommentiert. http://weltexpresso.tj87.de/index.php/lust-und-leben/3998-die-nestbeschuetzer-im-tagesspiegel, wo auch der Link zum Tagesspiegel direkt genutzt werden kann.



Kurz gesagt konzentriert sich der Vorwurf von Nelhiebel gegenüber den Mannen vom FBI darauf, daß das Institut das politische Wirken des Hessischen Generalstaatsanwalts ignoriere, viele Jahre überhaupt nichts zu seiner Person und seinem Wirken geäußert habe, obwohl er ja Namensgeber des Instituts sei, und seit neuestem ein Bild von Bauer verbreite, das erstens von seiner politischen Bedeutung ablenke und zweitens noch nicht mal stimme, wobei er sich auf eine behauptete Unterwerfungserklärung unter die Nazis durch Bauer, eine angedichtete Homosexualität sowie die fälschliche Betonung seines 'Jüdischseins' bezog.



Was also erwidert nun darauf Helmut Kramer? Zuerst einmal fragt sich der Leser, der dies verfolgte, in welchem Kontext Helmut Kramer hier auftaucht. Dazu wird nichts gesagt, aber es ist offensichtlich, daß er das Fritz Bauer Institut 'heraushauen' will, indem er von einem „vermeintlichen Denkmalsturz“ spricht, gleichzeitig von Bauer als dem, „der härter und schärfer und früher als jeder andere Amtsträger die ungeheuerlichen Auschwitz-Taten zur Anklage und damit ins deutsche Bewusstsein brachte. Fritz Bauer, dem ein Denkmal gebührt: Der jüdische Sozialdemokrat war der couragierteste Kämpfer gegen das bleierne Schweigen und Verdrängen der Adenauer-Zeit.“



Wohl gesprochen und wir wären völlig d'accord, wenn da nicht die Rede vom „jüdischen Sozialdemokraten“ wäre, was Helmut Kramer im Jahr 2014 formuliert, wie er es sicherlich auch in der NS-Zeit akzentuiert hätte, aber nie und nimmer in der Nachkriegszeit, in der Bauer Hessischer Generalstaatsanwalt war. Die westdeutsche Sozialdemokratie hatte keine katholischen, evangelischen oder jüdischen Sozialdemokraten, oder wenn, dann nur in entsprechenden Untergruppierungen, die den jeweiligen Kirchen verbunden waren. Fritz Bauer aber war bekennender Atheist, ein Freidenker, der die Humanistische Union mitbegründet hatte und sich den 'jüdischen' Sozialdemokraten verbeten hätte. Er selbst bezeichnete sich als einen deutschen Sozialdemokraten. Dem ist nichts hinzuzufügen.



Haarig wird es bei den Ausführungen zum sogenannten Treuebekenntnis, das laut Ausstellung von Bauer unterzeichnet worden sei. Allerdings gibt es in der Ausstellung keine Unterschrift und ein Abdruck in einer Nazi-Zeitung mit einem „gez.“ zeigt einen anderen Namen. Helmut Kramer schreibt: „Kurt Nelhiebel spricht von einem 'offensichtlich gefälschtem Bekenntnis'. Einen Beleg dafür hat er nicht.“ Das nun ist mehr als happig, denn auf einmal wird dem Widersprechenden ein fehlender Beleg für seine Aussage angekreidet. Dabei ist die Sachlage doch umgekehrt: es gibt keinen Beleg für die Unterschrift unter diese 'Unterwerfungserklärung“, dem „Treuebekenntnis“.



Helmut Kramer jedoch tut so, als ob es diese Unterschrift gäbe und argumentiert: „Die Praxis, Regimegegner nur aus KZ oder Schutzhaft zu entlassen, wenn sie eine solche Demütigung über sich ergehen ließen, war verbreitet. Es ist mehr als verständlich, dass NS-Gegner solche Erklärungen unterzeichneten.“ Ja, wie? Hat Helmut Kramer die Unterschrift gefunden? Man mag dies glauben, wenn er dann weiterschreibt: „Wahrscheinlich hat er einen Wisch der Nazis unterschrieben, um im Exil weiterkämpfen zu können.“ Peinlich ist für Helmut Kramer, der dies beim Biographen Steinke und den Ausstellungsmachern, die dessen Biographie bebildern, gefunden hat, daß er nur die Interpretation gefunden hat, aber bis zum heutigen Tag keinen Wisch, sprich: keine Unterschrift. Ohne die Bauersche Unterschrift gibt es aber kein sogenanntes Treubekenntnis den Nazis gegenüber! So ist das mit den Quellen und so arbeitet die Geschichtswissenschaft. Es gibt nämlich auch andere Erklärungen für die Entlassung aus der Haft – Erinnerung: Gleich mit der Machtergreifung Hitlers wurde der jüngste Amtsrichter Deutschlands, Fritz Bauer, ins KZ gesperrt, nicht als Jude, sondern als Sozialdemokrat und dann noch 1933 freigelassen. Die Familie spricht vom Freikaufen.



Es lohnt nicht, die „Erwiderung“ weiter zu kommentieren, weil sie in allem dem Text von Steinke folgt. Viel interessanter ist der Schluß, in dem Kramer fragt: „Wen interessiert noch, dass der hessische Generalstaatsanwalt Horst Gauff als Nachfolger Bauers dessen Erbe veruntreute, indem der die Täter klammheimlich außer Verfolgung setzen ließ? Noch unbekannter ist, mit welchen Verfahrentricks die nordrhein-westfälische Justiz die letzte Chance verpasste, jene Beihilfe der Juristen zur Ermordung psychisch kranker aufzuklären.“

Tja, möchte man dem Autor da beipflichten, denn er hat gegenüber dem Fritz Bauer Institut eine weitere Vernachlässigung des Wirkens von Bauer angesprochen: seine durch die Politik der Bundesregierung und durch den frühen Tod nicht mehr verfolgten Euthanasiemorde. Daß dies aber Bauers Herzensanliegen war, weiß jeder, der sich mit Bauers Wirken beschäftigt. Vielleicht sollte auch Helmut Kramer, der ungewollt, zum Zeugen dessen wird, daß das politische Gesicht Bauers vom Fritz Bauer Institut nicht abgebildet wird, bei seinem Draht zum Institut dies dort anmahnen: endlich den politischen Bauer wirken zu lassen, statt unter der Gürtellinie herumzuphantasieren.