Serie: Neuer Streit um das Fritz-Bauer-Institut (FBI), Teil 11 : Helmut Kramer erwidert im TAGESSPIEGEL am 22. Dezember 2014 zur Debatte um Fritz Bauer

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am 30. Dezember schrieb ich auf obigen Artikel hin einen Leserbrief an die Kulturredaktion des TAGESSPIEGEL. Am 5. Januar las ich: „Herzlichen Dank für Ihr Schreiben zum Text von Herrn Kramer, der ja seinerseits eine Replik auf den Artikel von Kurt Nelhiebel war.

 

Wir haben Ihre Zuschrift mit großem Interesse gelesen. Ich bitte Sie allerdings um Verständnis dafür, dass wir es mit dem Austausch der Argumente in Form der Texte von Nelhiebel und Kramer nun bewenden lassen wollen. Der Tagesspiegel ist kein Fachblatt und uns fehlt schlicht der Platz, noch ausführlicher auf die Historiker-Kontroversen einzugehen. Uns lag daran, eben die kontroversen Punkte einer interessierten, breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Natürlich ließe sich dies fortsetzen, aber wohl eher in der Fachpresse als in einer Tageszeitung.“

 

Nun hatte ich ja nur einen Leserbrief geschrieben und keinen Debattenbeitrag und Debattenbeiträge sollen ja eigentlich ein Leserecho nach sich ziehen, woran mir lag. Deshalb antwortete ich mit Unverständnis und schlug etwas vor: „Nun sieht es für den Tagesspiegelleser so aus, als ob es um eine Kontroverse Nelhiebel-Kramer ginge. Dabei ist die Gemengelage dann eine andere, wenn man die Ausstellung über Fritz Bauer vom Fritz Bauer Institut gesehen hat, die eine Bebilderung der Steinke-Biographie ist. Diese Ausstellung ist für mich Grundlage meiner Kritik und ich komme beim Schreiben gerade auf die Idee, ob Sie als Tagesspiegel nicht über die Ausstellung, die derzeit in Erfurt residiert, berichten möchten. Denn das ist Tagespresse und nicht Fachpresse.

 

Obwohl auch Weltexpresso eine (online)Tageszeitung ist und keine Fachpresse, haben wir nun die Möglichkeit, den nicht abgedruckten Leserbrief an den TAGESSPIEGEL hier zu veröffentlichen, was im folgenden geschieht.

 

An die Kulturredaktion des Tagesspiegel

 

LESERBRIEF zum Artikel DEBATTE UM FRITZ BAUER von Helmut Kramer vom 22.12.14

 

Dem obigen Artikel von Helmut Kramer war ein Bild vorgeschaltet von der Ausstellung über Fritz Bauer, die von Frankfurt nach Erfurt weitergewandert ist. Mit Bezug zur Ausstellung schreibt der Verfasser dann in einer Replik auf einen Tagesspiegelbeitrag von Kurt Nelhiebel von drei Punkten, die Inhalt der Kontroverse seien und die Helmut Kramer frohgemut widerlegen will.

 

Aua! Schon der erste Punkt zeigt, daß Herr Kramer weder die Ausstellung gesehen hat, noch den Katalog gelesen hat. Er schreibt nämlich: „Wahrscheinlich hat er einen Wisch der Nazis unterschrieben, um im Exil weiterkämpfen zu können.“ Er gibt damit eine Interpretation für das von ihm (und der Ausstellung) als Tatsache erklärte Einverständnis von Bauer als TREUEBEKENNTNIS EINSTIGER SOZIALDEMOKRATEN in einer NS-Zeitung 1933. Weder steht in dieser Zeitung korrekt der Name Bauer bei den zitierten Namen, die sowieso alle nur als „gez.“ abgedruckt sind, noch gibt es einen „Wisch“, den Bauer unterzeichnet hätte. Herr Kramer und Ausstellungsmacher! Es gibt keine Unterschrift von Bauer zu irgendeinem Treuebekenntnis auf irgendeinem Wisch. Das aber ist das Mindeste, was man von redlichen Menschen erwarten darf, daß sie Quellen und Belege besitzen und sie zeigen für Dinge, die sie als Tatsachen behaupten.

 

Wie schnell aus dem fehlenden Beweis eines solchen Bauerschen Treuebekenntnis dann eine so menschelnde wolkige Interpretation wird, führt Herr Kramer vor. „ Es ist mehr als verständlich, dass NS-Gegner solche Erklärungen unterzeichneten. Alles andere hätte Folter, Kerker, vermutlich Ermordung bedeutet.“ Das Perfide daran ist, daß wir doch alle Verständnis dafür hätten, hätte Bauer unterschrieben. Ich auf jeden Fall. Doch darum geht es nicht, denn es gibt diesen „Wisch“ nicht, es gibt keine Unterschrift Bauers unter eine Unterwerfungserklärung und deshalb darf man dies in einer Ausstellung über Bauer auch nicht behaupten, auf die sich Herr Kramer aber als Tatsache bezieht. Er hat die Ausstellung überhaupt nicht gesehen, schließe ich daraus, schreibt aber so, als ob. Das ist mehr als unredlich, zeigt mir aber, daß er auch in den weiteren zwei Punkten nicht sattelfest ist.

 

Fritz Bauer habe ein schwieriges Verhältnis zu seinem Judentum gehabt, behauptet er mit dem eigentlichen Spiritus rector der Ausstellung, einer jüngst erschienenen, aufs Populäre und Pop zielenden Biographie über Bauer. Mit Verlaub, er hat überhaupt kein Verhältnis dazu gehabt. Fragen Sie mal in Frankfurt Lelle Franz, die jüdische Frau des jungen Richter Jürgen Franz, wie sie damals mit ihm gezetert hatte, weil er weder jüdische Feiertage kannte (eingehalten schon gar nicht), noch sich sonst dafür interessierte. Er war Agnostiker und sagte untergründig, daß er Jude nur im Sinne der Nürnberger Rassegesetze sei. Und diesen Stiefel zieht sich Herr Kramer im Artikel an. Daß Fritz Bauer noch nicht mal beschnitten war, kommt quasi strafverschärfend hinzu.

 

Was denken sich die Leute eigentlich, über eine politische Figur der Zeitgeschichte, die endlich aus dem Vergessen der Bundesrepublik wiederauftaucht, solche Einvernahmen vorzunehmen, denn auf einmal soll Fritz Bauer sogar homosexuell gewesen sein. Da wird’s oberpeinlich. Denn es stimmt einfach nicht. Fragen Sie mal in Frankfurt die Frauen, die mit ihm zu tun hatten,aber auch die Männer. Aber das tut Herr Kramer nicht, er verweist mit der Ausstellung auf ein Polizeiprotokoll – ein einziges – mit dem die mit den Nazis kooperierende dänische Behörde in den dreißiger Jahren den Versuch startete, Fritz Bauer zu diskriminieren, auf daß Dänemark ihn zurückschicke nach Deutschland, sein Vater- und potentielles Todesland. Ja, wissen die Leute nicht mehr, was sie da tun? Herr Kramer auf jeden Fall schließt aus „Was die Nachkriegsjahre betrifft, in denen homosexuelle Akte noch strafbar waren, gibt es dagegen keinerlei Hinweise auf ein mögliches Ausleben der Homosexualität“, dann gleich auf die Diskriminierung, die Bauer angesichts der homophoben Atmosphäre der 50er Jahre „gefühlt haben mag“.“ Jetzt wird der Jurist, der siehe oben, kein Historiker ist, nun auch noch zum Psychoanalytiker.

 

Mir wäre das völlig wurscht, ob Fritz Bauer homosexuell war oder nicht. Da es keine Beweise dafür gibt, darf man das einem Toten nicht einfach unterschieben. Wer im übrigen die politischen Verfolgungen der Adenauerjahre durch unsere Geheimdienste kennt, der weiß, daß auch die von der Ausstellung und Kramer angeführte „sexuelle Orientierung“ aktenkundig gewesen wäre. Es gibt aber beim Verfassungsschutz, der Bauer überwachte, keine derartige Akte, die gefundenes Fressen gewesen wäre, den in Bonn ungeliebten politischen Bauer, der gerade Adenauers Globke als den Nazi vorgeführt hatte, der er war, aus dem Amt zu jagen. Das Fehlen solcher Geheimdienstakten ist mir mehr Wahrheit als ein Polizeiprotokoll einer Nazi-willfährigen dänischen Behörde.

 

Bleibt die Frage, was das Ganze soll? Da wird endlich ein politischer Kämpfer der Bundesrepublik wiederbelebt, noch dazu einer, den die Nazis ins Exil zwangen, der überlebte, zurückkam und für die Aufarbeitung der deutschen Geschichte sein Leben gab. Und dann gibt es eine solche tendenziöse Ausstellung durch das Institut, das Bauers Namen trägt und solche Artikel wie der von Helmut Kramer. Si tacuisses, Helmut Kramer, wären Sie wenigstens, wenn schon kein Philosoph, doch ein ehrlicher Bauerfreund geblieben.