Aufsichtsrat der Städtischen Bühnen Frankfurt GmbH spricht sich für Bochumer Intendanten aus

 

Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Sie erinnern sich? Der Schauspieldirektor, der ein großes persönliches Engagement in Frankfurt entwickelt hatte, Oliver Reese, wird nach Berlin ans Theater am Schiffsbauerdamm gehen, die alte Brechtbühne, und für ihn kommt Anselm Weber vom Theater Bochum.

 

Das war die Kurzfassung und weil Theater in der Planung etwas sehr langfristiges ist, hat das alles noch viel Zeit. Denn erst in der Spielzeit 2017/18 wird Oliver Reese als Intendant des Berliner Ensembles Claus Peymann ablösen. Zu seinen Plänen sagte er gegenüber der Frankfurter Rundschau: „Was mir als zentrales Anliegen für das Berliner Ensemble vorschwebt, ist, Stücke für das Große Haus zu entwickeln, die hier und heute geschrieben werden. Dafür habe ich auch Moritz Rinke ins Team geholt. Zentral ist für mich, neue Stücke zu machen. Ich glaube, dass wir Autoren für das Theater begeistern müssen, die in letzter Zeit lieber für den Film, für das Fernsehen oder Prosa geschrieben haben. Wir müssen eine Art Aufbauarbeit machen, um das Stückeschreiben wieder zukunftsfähig zu machen.

 

Noch also ist er in Frankfurt fest gebunden und bildet mit Opernchef Bernd Loebe und dem Verwaltungsfuzzi Bernd Fülle das Triumvirat der Geschäftsführer der Städtischen Bühnen Frankfurt, dessen Aufsichtratsvorsitzender Kulturdezernent Felix Semmelroth ist. Dieser hat nun gerade per Fax mitgeteilt, daß ab Spielzeitbeginn 2017/2018 Anselm Weber Intendant von Schauspiel Frankfurt und Mitgeschäftsführer der Städtischen Bühnen Frankfurt GmbH werden. Der Aufsichtsrat hat in seiner heutigen Sitzung am 27. April den Vorschlag von Stadtrat Felix Semmelroth angenommen und ihn beauftragt, dies auch der Gesellschafterversammlung (Magistrat) zur Beschlussfassung vorzutragen.

Dazu teilt er uns mit: Anselm Weber ist seit 2010 Intendant des Schauspielhauses Bochum und leitete zuvor von 2005 bis 2010 das Schauspiel Essen. Als Regisseur war Weber kontinuierlich an einer Vielzahl deutschsprachiger Bühnen tätig und arbeitet seit 1999 auch als Opernregisseur. Weber bekennt sich zum Ensembletheater, zur Arbeit mit Autoren der Gegenwart und zu den Texten des klassischen Repertoires. Die Stärkung junger Regisseure und Theaterschaffender sowie von Schauspielern stehen im Mittelpunkt seiner Arbeit. Weber will ein Theater für die Stadt zeigen, als Ort der Teilhabe und Zentrum künstlerischer Auseinandersetzung.

 

Als Chefdramaturgin wird Weber für Frankfurt Marion Tiedtke verpflichten, mit ihr will er das Haus künstlerisch lenken und inhaltlich prägen. „Das Schauspiel Frankfurt steht für hohe ästhetische Qualität sowie für provokative Lust an gesellschaftspolitischer Reibung. Professionelles Wirken auf höchstem Niveau und die Bereitschaft, Gegenwind auszuhalten: Ich bin sicher, mit Anselm Weber hat das Haus auch über 2017 hinaus eine hervorragende künstlerische Perspektive“, so Kulturdezernent Felix Semmelroth als Aufsichtsratsvorsitzender der Städtischen Bühnen Frankfurt GmbH.

Dem Frankfurter Publikum bekannt ist Anselm Weber durch mehrere Regiearbeiten: unter anderem einer frühen „Jungfrau von Orleans“ (1992), der mit viel Gespür für das hiesige Lokalkolorit inszenierten „Frankfurter Verlobung“ von Matthias Beltz (2003), der Oper „Die tote Stadt“ von Erich Korngold (2009) und im März 2015 mit einer intensiven „Passagierin“ von Mieczyslaw Weinberg. Dabei handelt es sich um eine Oper, die erst jüngst dem Vergessen entrissen wurde, als sie bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt wurde und nun auch in Frankfurt reüssierte. Dabei ist nicht nur das Thema, die Wiedererkennung einer Auschwitzwärterin durch eine KZ-Überlebenden nach dem Krieg, ans Herz greifend, sondern die Musik ist eine wunderbare Trägerin dieses Stoffes, der eigentlich nicht erzählt, noch verkomponiert werden kann. Die Regie von Anselm Weber war wirklich hervorragend.

 

Das heutige Schauspielhaus: Das traditionsreiche Schauspiel Frankfurt ist das größte Sprechtheater in der Rhein-Main Region und als überregional profilierte Bühne auch deutschlandweit viel beachtet. Seit der Spielzeit 2009/10 wird das Schauspiel Frankfurt von Intendant Oliver Reese geleitet. Dreißig Schauspielerinnen und Schauspieler gehören zum festen Ensemble und bilden das Zentrum des Spielplans. Namhafte Regisseure wie Michael Thalheimer, Stephan Kimmig, Günter Krämer oder René Pollesch inszenieren regelmäßig am Haus.

 

Neben dem seit der Saison 2010/11 bestehenden SchauspielSTUDIO fördert das Schauspiel Frankfurt seit Beginn der Spielzeit 2013/14 mit dem REGIEstudio den Nachwuchs im Bereich Regie und ab 2014/15 mit dem AUTORENstudio junge Theaterautoren. Für insgesamt vier Spielstätten – Schauspielhaus, Kammerspiele, Box und Bockenheimer Depot – werden pro Saison etwa 25 Neuinszenierungen erarbeitet. Als Repertoiretheater verfügt das Schauspiel Frankfurt über ein täglich wechselndes Angebot an Stücken, das momentan etwa 30 Produktionen umfasst. Neben Klassikerinszenierungen von Goethe, Kleist oder Tschechow stehen auch zahlreiche Ur- und Erstaufführungen auf dem Programm. Zudem bietet das Junge Schauspiel Programme speziell für Kinder- und Jugendliche.

 

Es ist Oliver Reese gelungen, einen großen Theaterfreundeskreis ans Schauspiel Frankfurt zu fesseln.