Serie: Zur HEIMTEXTIL 2015 auf dem Frankfurter Messegelände vom 14. bis 17. Januar 2015, Teil 3

 

Siegrid Püschel

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Idee ist hervorragend, in Halle 4.0 einen Themenpark einzurichten (mit der Verdeutschung des englischen Theme Park zu Theme Park können wir uns nicht anfreunden), wo man mit eigenen Augen sehen und mit den eigenen Fingern die Stoffe berühren kann, die unter verschiedenen Motti im Rund hängen.

 

Stellen Sie sich also einen Parcours vor, auf dem sie wandeln, an sich bewegenden Skulpturen vorbei und mal abgeschlossene Räume betreten, mal die von oben im Rund herabhängenden Stoffe anfassen, fühlen können, die alle der gemeinsame Begriff EXPERIENCE eint. Wenn man dann im Begleitblatt liest: „Auf der Grundlage der Erkenntnis, dass Menschen nach Erfahrungen mit emotionalem Wert suchen, können entsprechende Trends während der Heimtextil entdeckt und erlebt werden.“ Oder noch schlimmer: „Konsumenten möchten mit allen Sinnen in luxuriöse Erfahrungen eintauchen und diese mit anderen teilen.“, dann möchte man die Übersetzer aus dem Englischen in die Hölle wünschen. Aber gleichzeitig die Ideengeber ins Himmelreich expedieren, denn das ist eine rundherum gute Sache, wie hier Objekte dem Menschen so präsentiert werden, daß er persönlich mit ihnen umgehen will.

 

Das sah man nicht nur am Eröffnungstag, wie stark das Bedürfnis nach schauen und anfassen war, sondern setzte sich am gleichtagigen Ausstellerabend fort, der in Halle 4.0, dem Presse- und Kommunikationszentrum, stattfand und wo Aussteller, die den ganzen Tag an ihrem Stand sein müssen oder Terminen hinterherhetzen, hier in Ruhe betrachten konnten, was eigentlich Grundlage ihrer täglichen Arbeit ist: Textilien in jeder Form und Farbe, jeder Beschaffenheit, für jeden Zweck und darüber hinaus auch als Selbstzweck, wie diese feine mit Elektromotor ausgestattete Skulptur, wo sich aus dem runden Seifenwasserbecken ein Drahtgestell (Rebecca Horn läßt grüßen!) langsam erhebt, in der Art einer großen Vogelvoliere, in deren Drahtgeflecht sich das Seifenwasser inzwischen zu großen Seifenblasen selbst aufbläst, weiterfliegt, zerstiebt oder neu bildet. Eine schöne poetische Arbeit, die zudem den Sisyphos in sich trägt, weil alles Aufgebaute wieder in sich zusammenfällt und das Drahtgestell wieder ins Becken sinkt, einzig – so lange der Strom da ist – um erneut wieder mit vielen Seifenblasen aufzusteigen. Martha Hjorth Jessen heißt die Künstlerin.

 

Dieselbe schlichte, ja kindliche Begeisterung erfaßt die Besucher, beim Klatschen vor einer überdimensionierten Lampe, die auf das Händegeräusch reagiert und vor sich hinzittert. Ja, es sind oft einfache Dinge, die so einen Wohlfühlfaktor ausmachen, der immer damit zu tun hat, daß man selber aktiv werden kann oder geradezu Sehräusche erlebt. Sie merken schon, wir hatten sie. Das betrifft aber auch die anderen, stärker materialistischen Dinge. Fangen wir mit den Stoffen an. Die verschiedenen Horte, an denen sie herunterhängen, haben ganz unterschiedliche Titel. Mal geht es um Textilien, die aus alten Textilien neu gefertigt wurden, mal um pflanzlich hergestellte Materialien, die heilend und beruhigend wirken, die in der Hand Wärme erzeugen, kaum berührt man sie, so daß man sie gar nicht mehr loslassen will.

 

Andere begeistern sich an den lichtdurchlässigen, Hi-Tech-Materialien, die in den Farben changieren; dann der derzeitige Renner vom „Micology-Clash“ wie man den 'Clash der Kulturen' auf die Stoffe überträgt: verspielt, bunt, Diversität und – digital bedruckt mit Mustern, die den Ethnotextilien entnommen sind. In diese Richtung zählen auch Materialien, die als kulturelles Erbe verstanden werden, weil traditionelle Muster oder Textilverfahren hier tradiert werden, aber mit heutiger Präzisionstechnik hergestellt. Smarte Materialien sind auch dabei, so nennt man die Textilien, die aus bearbeiteten Stoffen hergestellt werden und oft Bodenschätze wie Silber oder Kupfer in sich tragen.

 

In den Kabäuschen, wie man in Frankfurt zu den mal runden, mal eckigen Kammern sagen würde, gibt es sowohl neue Produktionstechniken zu verfolgen, wie auch das Einkaufsverhalten zu überprüfen. Sie sehen die Strickmaschine, die mit Neuem gefüttert wird und die unglaubliche Produkte hervorbringt. Und erst die digitalen Drucke, von denen die Messe allüberall als dem Produkt der Zukunft schwärmt, wobei immer das gesparte Wasser als Hauptargument dient.

 

Die Worte dazu, die schlecht übersetzten, sind aufgeblasen, aber die Produkte machen Spaß und zeigen zudem, worin die Faszination für die Heimtextil herrührt. Schließlich haben schon die Sammler und Jäger ein Zuhause gehabt und seit Beginn der Menschwerdung haben die von den Jägern erlegten Tiere den Sammlerinnen den Stoff geboten, aus dem gewebt, gestrickt, genäht wurde. Wir sind mit dieser Messe sowohl mit dem Kopf im Morgen, aber mit den Füßen verläßlich mit unserer Menschengeschichte verwoben. Fortsetzung folgt.

 



INFO:

 

Weitere Informationen zur Heimtextil unter:

www.heimtextil.messefrankfurt.com

www.heimtextil-theme-park.com

www.heimtextil-blog.com

 

Informationen zu den weltweiten Textilmessen der Messe Frankfurt

unter: www.texpertise-network.com

 

Nächste Heimtextil vom 12. bis 15. Januar 2016

 

www.messefrankfurt.com

 

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