Iron Maiden lieferten ihr Alterswerk ab – aber nicht ohne jugendliche Verve, Teil 1/2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Sechs haben eindeutig ein Meisterwerk hingelegt. Die alten Meister sind doch die Besten. Aufgrund ihrer Souveränität begannen Maiden, sich auf sich selbst rückzubeziehen, wurden sich historisch, ohne in altvordere Selbststilisierung oder Nostalgie zu verfallen.

 

Sie überblicken sich nun rückwärtig, einen Fundus an Themen und Materialien, schauen sich musikalisch über die eigene Schulter und liefern ein Fazit ihres Schaffens, auch ihrer langfristigen Weltsicht (aus 36 Jahren). Klar, dass die Überangestrengtheit, die eine Vielzahl der Gruppen kennzeichnet – wie z.B. auch Dream Theater - , der Authentizität nie gut tat. Jedoch, das ist und bleibt wohl immer Teil eines jugendkulturellen Gehabes.

 

Bei Maiden verhält es sich anders: wenn Musik sich selbst in Köpfen historisch wird, ereilt sie eine Spur von Ewigkeit, vermittelt im Gefühl des Erhabenen. Bestes Beispiel: Hammerfall mit ihrem Erstling 'Glory to the Brave' (1997). Schon mit diesem Debüt schwingt die Reminiszenz an ein anscheinend bereits Vergangenes mit, als etwas, das sich tief in der Vergangenheit zugetragen habe, obwohl es doch in der Gegenwart quicklebendig ist. Solche Werke sind so gemacht, dass sie wie aus einem Guss sind.

 

Iron Maiden sind unverwechselbar im Ton, weil der flirrende Sound der Gitarrencrew (drei Gitarren, ein Bass) ihr Markenzeichen wurde. Eine Saiten-Mannschaft teilt sich wechselseitig die Zauberwerkzeuge zu, lässt Linien geschmeidig überlagern. Dadurch bleibt die Rhythmusarbeit aufgrund des Wechsels von Verstärkung und Wiederabschwächung, durch verschachtelte Überlagerungen getoppt, über weite Strecken interessant, erregend. Das andere Markenzeichen ist Eddie, das Monster, zugleich Bandmaskottchen. Mit diesem ist der sehr menschliche Komplex der stets lauernden kleinen Schreckensgeister und was noch aus diesem Umkreis umgeht, gemeint, die uns in Nächten heimsuchen oder auch während des Tags, wenn das Kettenhemd mal zwischendurch abgelegt wird.

 

 

Erster Teil

 

Der erste Teil (6 Songs) hat viel vom Gepräge einer philosophischen Verhandlung in Rhythmik und Perioden; Ziselierung ist nicht, für ausgeprägtes Schmuckwerk ist kein Platz. Es ist schon frappierend, dass in Zeiten, in denen die Weltgeschichte Dramatik annimmt, so ein Gewichtiges wie das Vorgelegte im passenden Augenblick erscheint. Die Gruppe ist also sensibel. Die ersten fünf Stücke halten sich etwas spröde, nüchtern, eine Spur zu trocken, es gibt Redundanzen, Längen, die all jene zuweilen zu nerven anfangen, die am klassischen Genre sozialisiert sind, aber die Härte der Zeiten und Tatsachen, der Erwartungen und Ängste entspricht diesem akustisch Schroffen, Reduzierten dann auch wieder. Es ist nicht die Zeit von Schlurcherei und Harmonieverliebtheit. Die Zeiten sind krass und unerforschlich. Die Gitarren, die Drums und Bruce Dickinsons Stimme halten sich rein und klar.

 

'Metal' handelt reichlich davon, wie gehaust wird in der Welt- und Daseinsordnung, er handelt von den unangenehmen, schrecklichen Seiten des Lebens, die aber zum Teil auch von den Menschen selbst gemacht werden.

 

Leitgedanken der ersten Hälfte: 'If Eternity Should Fail' (1), 'The Great Unknown'(3) und 'The Book of Souls' (6). Der Weltknoten ist in Verhandlung, es wird aus dem intuitiven, lyrischen Begreifen gehoben, die Debatte gesetzt. Es ist Tradition, dass die Gruppen des metallischen Genres sich so ihre ganz eigenen Gedanken über den Weltlauf und die menschlichen Verhältnisse machen. 'Behemoth' sagen: '...keinerlei Vertrauen in die menschliche Rasse'.

 

Song 1: 'If Eternity Should Fail' handelt vom Kampf mit den Übeln in der Schöpfung, vom Risiko einer 'Eternity', die 'failed', vom möglichen Weltende. Engel sind unterwegs, die Ewigkeit ist nur eine 'kurze Weil`'. Die Songs 1 bis 3 überzeugen glänzend mit Gitarre und Gesang (in Fusion). Song 3: 'The Great Unknown' bewegt die 'wachsende Furcht', er kündet: 'the World has fallen'. Mit dem Stichwort 'Damnation' setzt das Solo ein, vorherige Längen werden mit der gereiften Schlusspassage des Fallens entschädigt. In Song 4: 'The Red and the Black' reißt der Wechsel ab 8:40 aus der Wartestellung und dreht in die furiose Schlussrunde ein, das Ende naht gegen 11:56 und leitet in die Coda mit der akustischen Kadenz .- 'The Book of Soul' (6) beackert das große Sternenrund mit den eingebauten Schwierigkeiten und den Qualen der Seelen. Mit keinem der unangenehmen Aspekte wird im Text geschönt gehandelt; es geht um die lastende Bürde der Gattungsfragen. Bei 5:49 dann Break und Tempowechsel und rein in die schnelle Rückkunft bei den 'Ancestors', nach der 'Defeat of the Dark Lords'. Zu betonen ist, dass all das, was als das Fragwürdige angeschnitten wird, in dieser Musik auch immer konsumierbar bleibt.Fortsetzung folgt

 

 

Info:

Iron Maiden, 'The Book Of Souls'; soeben erschienen. Das gelungene Booklet im Schuber hat Hochformat, das umfangreiche Libretto kann mitvollzogen werden, ohne Vergrößerungsgläser zu bemühen. Länge: 92,18 Minuten (wer wäre noch in der Lage, die Anzahl der Töne, der Ganz- und Halbmotive zu zählen, der Computer kann an diesem Solitär nur scheitern), 2 CD 17,99 Euro.

 

Die Songs wurden für den Text von 1 bis 11 durchgezählt, die CDs fangen jeweils mit 1 an und zählen dann wie gewohnt fort.