Iron Maiden lieferten ihr Alterswerk ab – aber nicht ohne jugendliche Verve, Teil 2/2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der zweite Teil - ab dem 7. Song - gehört zu dem, was dem braven Fan das Herz erfrischt, weil es so grandios startet und es gewissermaßen schrankenlos durchgezogen wird. So kommt es, dass die eigentliche Domäne des Genres einmal mehr abgegrast wird. Das metallische Overdrive, die gekonnt geschrägte Distortion, die elegant geschwungene Wendung sind doch mit das Herrlichste in diesem harten Genre.

 

Ein wenig klischeehaft kommt es aber doch zunächst mit dem altbekannten: 'Death or Glory' daher (7). Dennoch wird auch an die Tiefe des ersten Teils angeknüpft.

 

Ans fachferne Publikum gerichtet: der zweite Teil handelt, wenngleich spezifiziert, von den Schwert- und Zauberer-Landschaften der Helden oder Heldinnen und ihren Entscheidungsschlachten, von Mooren, tiefen Wäldern, phantastisch designten Lebenswelten, mit den imaginären Gestalten und ausgestorbenen Wesen oder auf jeden Fall lebenden Elfen und anrufbaren Engeln, handelt von imaginären Weltzonen, die faunische halb Mensch-, halb Tier- oder Zwitter-Kreaturen in sich bergen und alles, was dem gleicht. So in etwa lässt sich die angestammte gegenständliche wie personelle Heimat des Metalgenres beschreiben, die aber nicht gleichbedeutend ist mit Phantasy.

 

Song 8: 'Shadows of the Valley' kommt mit dem Motiv: 'Listen closely to the Ravens Call, Praying hard for our World not to end', es hält sich durch als Metapher und Anker, durchdringt auch weitere Gegenständlichkeiten und Örter. Mit den Songs 9 und 10, den getragenen 'Tears of a Clown' und 'The Man of Sorrows', bekommt Sänger Bruce Dickinson (dabei seit 1982 und hier im Bild) seine Chance. Aufgrund der Möglichkeit der Gesangsentfaltung sind diese Lieder ganz die seinen. Gesang und Instrumente werden zur Einheit; die Wendung, der Bruch bzw. Wechsel in 'The Man of Sorrows' mit dem Satz 'Living in a World of Lies' bei 1:57 ist begnadet wie kein Lehrbuch es schreiben oder wiedergeben könnte. Und das Solo ist ein Edelpart. Der Text ist durchaus als Hymne auf Rettung und Befreiung zu verstehen (sie ist also nicht unmöglich).

 

Der Hammer aber nun ist das letzte Stück ('Empire of the Clouds', 11), es ist knapp 19 Minuten lang. Die dem Inhalt nach historisierende, gesanglich ergreifend vorgetragene Geschichte kann man erwägen und über sie ein Sinnen anstellen, der instrumentelle Mittelpart aber ist außerordentlich und hebt sich atemberaubend heraus. Das Stück beginnt im altenglischen Tonfall. Das Werk deutet ohne Zweifel den Ausstieg aus dem Alterprobten an, mit dem Abschluss des vorgelegten Albums kommt es im Mittelteil zu freien Passagen und Akkorden, mit denen die Komposition in eine Modernität der nicht mehr herkömmlichen Harmonie und Klangstruktur überwechselt. Noch bleibt das, auch wegen der relativen Kürze, mehr angedeutet, aber Maiden haben hier ein offenbares Zeichen gesetzt, die Idee einer Wandlung eingebracht, die das Genre auf Dauer verändern könnte, ohne es ins Schale aufzulösen oder mehr oder weniger unkenntlich zu machen.

 

 

Info:

Iron Maiden, 'The Book Of Souls'; soeben erschienen. Das gelungene Booklet im Schuber hat Hochformat, das umfangreiche Libretto kann mitvollzogen werden, ohne Vergrößerungsgläser zu bemühen. Länge: 92,18 Minuten (wer wäre noch in der Lage, die Anzahl der Töne, der Ganz- und Halbmotive zu zählen, der Computer kann an diesem Solitär nur scheitern), 2 CD 17,99 Euro.

 

Die Songs wurden für den Text von 1 bis 11 durchgezählt, die CDs fangen jeweils mit 1 an und zählen dann wie gewohnt fort.