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Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Lange hat die israelische Führung, nicht zuletzt mit Rücksicht auf den israelischen Kampf gegen den Terrorismus in Sicht- und Hörweite der Russen auf dem ehemals syrischen Golan und weiter einwärts auf syrischem Territorium, Zurückhaltung geübt mit einer offiziellen Stellungnahme zum russichen Vorgehen in der Ukraine. Angesichts der Tatsache, dass diese Zurückhaltung längst nicht überall beim israelischen Volk auf Verständnis stösst, hat das offizielle Jerusalem allmählich angefangen, den Ton zu ändern.

«Die russische Attacke auf die Ukraine ist eine ernstzunehmende Verletzung der internationalen Ordnung», sagte Außenminister Yair Lapid. «Israel verurteilt die Attacke und ist bereit und vorbereitet, den Bürgern der Ukraine humanitäre Hilfe zukommen zu lassen». Zuvor hatte Jerusalem die «territoriale Integrität und Souveränität» der Ukraine unterstützt, ohne aber Russland nametlich zu erwähnen.

Angesichts der sich zuspitzenden Lage in der Ukraine benutzte Premierminister Naftali Bennett den Auftritt am Donnerstag Nachmittag an der Feier eines Offizierskurses für einige klare Worte. Die Erfahrung würde zeigen, dass «Kriege zwischen Heeren kein Ding der Vergangenheit» seien. Er wiederhole deshalb seinen eindringlichen Aufruf an die noch rund 7 000 in der Ukraine verbliebenen Bürgerinnen und Bürger, das Land «heute noch» zu verlassen. Die betroffenen Menschen (indirekt richtete Bennett sich auch an die potentiellen Neueinwanderer) sollten sich möglichst rasch an den (noch offenen) Grenzübergängen aus der Ukraine heraus begeben. Nach der Grenze würden «unsere Leute» sich ihrer annehmen. Premier Bennett erwähnte auch die Diplomaten und Angestellten politischer Instanzen Israels, die durch ihren Aufenthalt in der Ukraine zwar ihr Leben gefährden würden, doch entschlossen seien,  ausreisewilligen Mitbürgern zu helfen.

Dass Bennetts Worte nicht ins Leere gesprochen wurden, bewiesen die Hintergrundgeräusche des Berichtes eines israelischen Reportes vor Ort am israelischen TV:  Beschießungen und Raketenfeuer aus den immer offenen umkämpften Städten wie Kiev, Odessa oder Charkov ließen die Situation der festsitzenden Israeli tatsächlich akut erscheinen. Berichte aus den gefährdeten Städten sprachen am Donnerstag bereits von «hunderten von Opfern». – Neben den israelischen Bürgern, die größtenteils am liebsten früher als später die Ukraine hinter sich lassen würden, wenn es möglich wäre, denken die Aktivisten in Jerusalem sicher auch an die rund 200 000 Juden der Ukraine, von denen ein nicht unbeachtlicher Teil heute lieber auswandern als bleiben würde. Gar nicht zu reden von den Millionen von Juden in «Mütterchen Russland».

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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24. Februar  2022