volkermordÜber den Missbrauch des Begriffs Völkermord

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) -  Seinen Ursprung hat der Begriff Völkermord in der gezielten Ermordung von sechs Millionen Juden durch das Naziregime. Einen schlimmeren Vorwurf gibt es nicht. Völkerrechtlich fand er seinen Niederschlag  in der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes aus dem Jahr 1948. Danach wird als Völkermord eine Handlung verstanden, „die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.

Der ukrainische Präsident Selenskij  hat den französischen Präsidenten Macron während der Ostertage in die Ukraine eingeladen, um sich – wie er formulierte -  ein Bild des von russischen Soldaten begangenen Völkermordes zu machen. „Ich will, dass er versteht, dass dies kein Krieg ist, sondern nichts anderes als ein Völkermord“. Selenskij war offensichtlich verärgert darüber, dass Macron am Gründonnerstag vor  einer „Eskalation der Worte“  gewarnt hatte, die der Ukraine nicht helfen werde. Das Wort Völkermord habe schließlich eine bestimmte Bedeutung. Sie einzuschätzen sei Sache von Juristen und nicht von Politikern.

Ähnlich wie jetzt im Fall Ukraine haben während des Kalten Krieges konservative Politiker versucht, den Ruf der Sowjetunion und ihrer osteuropäischen Verbündeten durch den Vorwurf zu beschädigen, die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg sei  gezielter Völkermord gewesen, was auf eine Gleichsetzung der von dien Siegermächten angeordneten Umsiedlung der deutschen Minderheiten aus Polen und der Tschechoslowakischen Republik mit dem von den Nazis und ihren Anhängern begangenen millionenfach Mord an den Juden Europas hinauslief.

Der amerikanische Präsident Joe Biden, der sich vor einigen Tagen den Begriff Völkermord nicht zu eigen machen wollte und lediglich von Kriegsverbrechen sprach, schwenkte während der Ostertage um  und beschuldigte den russischen Präsidenten Putin des Völkermordes, da immer mehr schreckliche Dinge ans Licht kämen. Letztlich müssten Juristen auf internationaler Ebene entscheiden, ob es sich um Genozid handle oder nicht, aber für ihn sehe es ganz so aus.

Putin selbst hat den Begriff in die Diskussion eingeführt, als er in seiner Kriegserklärung vom 24. Februar davon sprach, Ziel der russischen Sonder-Militäroperation sei „der Schutz der Menschen, die seit acht Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt“ seien. Er bezog sich dabei insbesondere auf die Situation im industriell geprägten  Donbas. Weder dort noch sonst wo in der Ukraine konnte jemals im Ernst davon gesprochen werden, dass eine der beiden Seiten versucht, Handlungen in der Absicht zu begehen, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“.

Die Lage ist viel zu ernst für propagandistische Mätzchen. Dem Missbrauch des Begriffs Völkermord muss Einhalt geboten werden. Einer, der wusste, was Krieg bedeutet, General Eisenhower, hat der politischen Klasse seines Volkes in seiner Abschiedsrede als Präsident der Vereinigten Staaten am 17. Januar 1961 eine wichtige Botschaft hinterlassen:  „In den Gremien der Regierung müssen wir der Ausweitung, ob aktiv oder passiv, des unbefugten Einflusses des militärisch-industriellen Komplexes vorbeugen. Das Potential für den verheerenden Anstieg der Macht an falscher Stelle besteht und wird bestehen bleiben. Wir dürfen niemals zulassen, dass diese einflussreiche Allianz unsere Freiheiten und demokratischen Prozesse gefährden.“  Nie war  diese Mahnung so wichtig, wie in diesen Tagen, da die Welt einem großen Krieg entgegen zu schliddern droht.

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