Nele Neuhaus, Die Lebenden und die Toten, List Verlag

 

Martina Ober

Ingelheim (Weltexpresso) – innerhalb weniger Tage befindet sich der Großraum FrankfurtRheinMain im Ausnahmezustand. In der Weihnachtszeit werden 2 ältere Damen und ein junger Mann von einem Scharfschützen regelrecht hingerichtet. Die Taten sind so genau geplant, dass von einem Zufallsverbrechen nicht auszugehen ist.

 

Darauf weisen auch die Todesanzeigen des selbsternannten Richters hin, die nach jedem Verbrechen auf dem Schreibtisch der Polizei landen. Die Verbindung zwischen allen Opfern ist schnell gefunden. Es sind alles nahe Angehörige von Menschen, die im direkten Zusammenhang mit dem tragischen Tod von Kirsten Stadler vor 10 Jahren stehen.

 

Was ist vor 10 Jahren am Universitätsklinikum Frankfurt (UKF) schief gelaufen bei der Behandlung von Kirsten Stadler, einer jungen Ehefrau und Mutter von zwei halbwüchsigen Kindern? War sie wirklich nach ihrem Zusammenbruch beim Joggen und dem verzögerten Einsatz der Rettungskräfte hirntot? Ist alles mit rechten Dingen zugegangen, als man die Unterschrift zur Organexplantation bei den Verwandten einholte, um einem jungen Mann Kirstens Herz zu implantieren?

 

Bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen stoßen die beiden hier erneut tätigen Ermittler Bodenstein und Kirchhoff auf eine Mauer des Schweigens seitens des Krankenhauses und der an der Operation beteiligten Ärzteschaft. Während sie über die Befragung der nahen Angehörigen von Frau Stadler versuchen, der Lösung näher zu kommen, werden zwei weitere Menschen auf dieselbe Art und Weise hingerichtet. Weitere Opfer stehen noch auf der Vergeltungsliste des Täters, die der Polizei erst im späten Verlauf der Ermittlungen in die Hände fällt. Gelingt es Bodenstein und Kirchhoff, dem Killer vor Vollendung seiner Mordserie Einhalt zu gebieten?



Fazit

Bodenstein und Kirchhoff werden diesmal nicht nur von den uns bereits aus den anderen Krimis der Reihe bekannten Kollegen tatkräftig unterstützt sondern erhalten noch Verstärkung durch den Fallanalytiker Neff, ausgeliehen vom LKA Wiesbaden und durch Kirchhoffs Schwester, Dr. Kim Freitag, der stellvertretenden Direktorin einer forensisch-psychiatrischen Klinik in Hamburg, die im Urlaub ist und selbstverständlich in die Ermittlungen eingebunden wird.

 

So hochkarätig besetzt das Team, stellt man sich die Frage, warum das nicht schneller geht, den Mörder dingfest zu machen, von dem man weiß, dass er im familiären Umfeld von Kirsten Stadler zu suchen ist. Am Schluss wissen wir es, es war eine ungenaue Recherche der Koryphäe aus Wiesbaden, die den Fall so unerträglich in die Länge gezogen hat. Die Ermittlungen wirklich bereichert hat Kirchhoffs Schwester auch nicht, aber dafür das Privatleben von Dr. Nicola Engel, der Leiterin der Regionalen Kriminalinspektion Hofheim.



Ausführlich befasst sich Nele Neuhaus in diesem Buch mit dem Thema Organspende, das bei hirntoten Patienten offensichtlich eine andere Dimension hat. Mehr noch als die Verbrechen verstören uns die Schilderungen über die Schicksale dieser Menschen, deren Angehörige in einem Zustand größter emotionaler Belastung förmlich gezwungen werden, ihre Unterschrift herzugeben und ihr Einverständnis zu erteilen zur, ja anders kann man es nicht sagen, Ausweidung eines geliebten Menschen. Ob sich das so abspielen kann, wie im Buch beschrieben, können wir nicht beurteilen. Nichtsdestotrotz ist es vorstellbar und erschreckend.



Wie schon in den vergangenen Teilen der Krimireihe widmet sich ein beachtlicher Teil des Buches den Schilderungen des Privatlebens von Bodenstein und Kirchhoff. Während es bei Kirchhoff jetzt endlich gut läuft, sie hat ihren Lebensgefährten, den Zoodirektor, in aller Stille geheiratet, verzichtet aber dieses Falles wegen auf die geplante Hochzeitsreise, so fühlt Bodenstein eine Entfremdung zu seiner Jugendliebe Inka, die nach der Trennung von seiner Frau Cosima wieder in sein Leben getreten ist. Mag sein, dass Bodensteins Liebesleben im nächsten Krimi weitergeht mit Karoline Albrecht, der Tochter eines der Mordopfer.



Zusammenfassend können wir sagen, Nele Neuhaus hat mit ihrem siebten Buch in dieser Krimireihe einen einigermaßen spannenden Roman vorgelegt, der teilweise unter die Haut geht, nicht wegen des eigentlichen Geschehens sondern wegen des Hintergrundthemas Organspende, das uns zum Nachdenken anregt.



INFO:

 

Nele Neuhaus, geb. 1967 in Paderborn, lebt mit ihrem Lebensgefährten im Vordertaunus. Ihr erster Roman Unter Haien erschien 2005. Bekannt geworden ist sie jedoch mit ihrer Krimireihe um das Ermittlerpaar Kirchhoff und Bodenstein, in der bereits 7 Romane erschienen sind.

Eine unbeliebte Frau (2006)

Mordsfreunde (2007)

Tiefe Wunden (2009)

Schneewittchen muss sterben (2010)

Wer Wind sät (2011)

Böser Wolf (2012)

Die Lebenden und die Toten (2014)

 

Außerdem hat Nele Neuhaus bereits zahlreiche Jugendbücher veröffentlicht, die allesamt das Thema Pferde, ihr großes Hobby, zum Inhalt haben.

 

 

Nele Neuhaus, Die Lebenden und die Toten, Ullstein Verlage, Oktober 2014