Bildschirmfoto 2020 04 09 um 23.33.19Israel - Likud /Netanyahu -Blauweiß/Benny Gantz

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Während die in einer immer strikteren nationalen Ausgangssperre im Zusammenhang mit der Coronakrise blockierten Israeli in ihrer Handlungsfreiheit arg eingeschränkt sind, scheint sich auf einer Nebenbühne eine Entwicklung abzuspielen, die sich leicht zu einem eigentlichen Drama auswachsen könnte, das das Volk und seine Regierung möglicherweise nach dem Pessachfest, in etwa zehn Tagen, beschäftigen dürfte.

Benny Gantz, der Vorsitzende von Blauweiss und als solcher wichtigster Partner für Premier Netanyahu in der an sich bereits abgesprochenen Koalitionsregierung, hat am Mittwoch in einer Facebook-Nachricht dem Likud-Chef die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, dass der Koalitionsvertrag nicht schon vor dem am Mittwochabend beginnenden Pessachfest (dem Pendant zum christlichen Osterfest) unterschrieben worden ist. Gantz schrieb seinen Post zwei Tage nachdem der Likud offensichtlich auf Vereinbarungen zwischen den zwei Parteien zurückkam, das schon am Montagabend nur noch auf die nötigen Unterschriften wartete. Seither haben zwischen Likud und Blauweiss keine Verhandlungen mehr stattgefunden.

Gantz führte den Zusammenbruch der Gespräche auf den Umstand zurück, weil die Likud-Strategen ihre Meinung geändert hätten. Auf diesen Vorwurf wurde seitens Netanyahu bis zu Beginn von Pessach nicht reagiert. «Wir waren bereit, das Erreichte zu feiern», schrieb Gantz auf Facebook, «doch dann kamen Netanyahu und seine Leute mit einer Forderung, die ungeachtet aller bereits getroffenen Abmachungen dem sauberen Prozedere der Richter-Wahlkommission geschadet hätte». Blauweiss antwortete mit der Bemerkung, dass man bereit sei, in einer Regierung des nationalen Notstands mitzumachen, aber «nicht um jeden Preis». Wörtlich sagte Gantz: «Die Reihen zu schliessen in einem Moment der Krise ist wichtig, doch vor allem in Zeiten wie diesen ist die Aufrechterhaltung unserer Demokratie und des Rechtswesens kritisch für Israels Zukunft».

Das Mandat von Gantz zur Regierungsbildunbg endet am kommenden Montag. Er hat Präsident Rivlin bereits um zwei weitere Wochen ersucht, was an sich möglich wäre. Der Präsident hat sich noch nicht entschieden, doch wenn am 13. April Likud und Blauweiss sich weiter in den Haaren liegen, sind alle Varianten möglich, sogar ein vierter Wahlgang innert weniger als einem Jahr. Nicht auszuschliessen ist, dass Netanyahu seinen Akt der Verzögerungspolitik vom Zaune gebrochen hat, nachdem er sein gutes Abschneiden in dem nach den angeblichen Umfragenerfolgen des Likuds und des Rechtsblocks in politische Erfolge bei der Regierungsbildung ummünzen will. Ein ungutes Gefühl bleibt dem neutralen Beobachter auf jeden Fall. Diese Krise, wenn es sich um mehr als nur um ein Katz- und Mausspiel handelt, ist wirklich das Letzte, was Israel zusätzlich zur Corona-Krise jetzt noch gebrauchen kann.

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 8. April 2020